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Eröffnung der Ausstellung "Baukultur für das Quartier – Prozesskultur durch Konzeptvergabe" am 7. Mai im Zentrum Baukultur

Bei der Begrüßung zur Ausstellungseröffnung a, 7. Mai 2019 verwies Dr. Stephan Weinberg, Staatssekretär im Finanz- und Bauministerium Rheinland-Pfalz, auf die ungebrochene Aktualität des Themas "Wohnen". Sechs Wochen zuvor habe es dazu im Zentrum Baukultur eine Veranstaltung anlässlich der Ausstellungseröffnung "Gemeinde baut. Wiener Wohnbau 1920-2020" gegeben, bei der er ebenfalls im Brückenturm gewesen sei, so Weinberg. Mit leichtem Bedauern verwies er darauf, dass diese Art des bezahlbaren Wohnungsbaus nicht auf Deutschland übertragbar sei, "dafür bedarf es auch einer 100-jährigen Geschichte." Aber auch Rheinland-Pfalz müsse sich in Sachen bezahlbares Wohnen nicht verstecken, betonte der Staatssekretär, dennoch gelte: "Wir haben schon was geschafft, müssen aber noch ein gutes Stück Weg gehen." Ein sehr gutes Beispiel hierzu werde Dr. Maximilian Ingenthron, Bürgermeister und Baudezernent der Stadt Landau in der Pfalz, später vorstellen, kündigte Weinberg an.

Robert Temel, Architektur- und Stadtforscher aus Wien, der die Ausstellung gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) aus den Ergebnissen eines Forschungsprojekts konzipiert hatte, führte in die Ausstellung ein. Er stellte die elf ausgewählten, in ihrer Entstehungsgeschichte und den Verfahrensdetails teilweise sehr unterschiedlichen Beispielprojekte aus ganz Deutschland vor. "Diese Beispiele zeigen sehr deutlich die Potentiale, Möglichkeiten und Anwendungsfelder von Konzeptverfahren", sagte Temel. Aus seiner Sicht seien Baugemeinschaften und Baugenossenschaften der Ausgangspunkt für die Entstehung und auch die Erfolgsgeschichte von Konzeptverfahren, so der Stadtforscher. "Sie verbessern die Stadtentwicklung und die Quartiersqualität", zeigte er sich überzeugt. Die Nachfrage von Dr. Elena Wiezorek, Hauptgeschäftsführerin der Architektenkammer und Moderatorin des Abends, ob Städte und Kommunen für solche Verfahren mehr Zeit einplanen müssten, verneinte Temel. Dies hänge jedoch sowohl von der Vorbereitung als auch vom Einsatz der Beteiligten ab. In Tübingen sei das Modell Konzeptverfahren inzwischen sogar auf ein Projekt "Bauen für Geflüchtete" übertragen worden, berichtete Temel. Für die Grundstücke hätten sich sowohl Baugemeinschaften als auch Investoren beworben und die vorgeschlagenen Konzepte ließen vielfältige Quartiere mit unterschiedlichsten Wohnformen, Nutzungskonzepten und Bewohnern erwarten. Zuletzt musste Temel zugeben, dass nicht nur Wien eine Vorbildfunktion für Rheinland-Pfalz haben könne, sondern auch umgekehrt: "In Sachen Konzeptverfahren ist Deutschland Österreich voraus".

Anne Keßler, Referentin für Baukultur im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), das den Auftrag für das Forschungsprojekt erteilt hatte, machte in ihrem Impulsvortrag deutlich, welchen Beitrag Konzeptverfahren zur Vermittlung von Baukultur haben können. Konzeptvergabe ist ein tolles Instrument, um Baukultur voran zu bringen", so Keßler: "Es fehlt ein breites Baukulturverständnis in der Bevölkerung." Baukultur sei nur wenigen Bürgern wirklich ein Begriff. Um Menschen dafür zu sensibilisieren, müsse man Berührungspunkte und Schnittstellen zur Baukultur im Alltag schaffen und so ein grundlegendes Interesse wie auch Verständnis für das Thema herbeiführen. Hierbei sei "die Macht des guten Beispiels" besonders wirksam, sagte Keßler. Die Baukultur-Referentin betonte, es gäbe nicht ein abgeschlossenes Verfahren, sondern jedes Verfahren müsse aus den Möglichkeiten, die Konzeptverfahren bieten, wie in einem Baukastensystem zusammengestellt werden. Verschiedenste Bewertungskriterien wie Architekturqualität, Nutzungsvielfalt, aber auch Klima- und Ressourcenschutz ließen sich integrieren und könnten unterschiedlich gewichtet werden. Wichtig war Keßler, dass der von den Teilnehmern angebotene Preis hier keine Rolle bei der Bewertung spielen solle, sondern die Verfahrensauslober hier vielmehr einen Festpreis fixieren sollten.

Dr. Maximilian Ingenthron, Landauer Bürgermeister und Baudezernent, vermittelte in seinem Vortrag dann auch die Begeisterung, mit der Stadt Konzeptverfahren inzwischen anwende. Seit 2011 wird in Landau diese Vergabeform praktiziert. Ingenthron sieht hier vor allem die Politik und Verwaltung in der Pflicht. Hier habe sich Landau positioniert und könne „als ‚starke Stadt’ die Dinge im positiven Sinne diktieren“. Grundstücke würden zum Verkehrswert verkauft, nicht darüber, aber auch nicht darunter, das sei aus haushalterischer Sicht nicht möglich, so der Baudezernent. Anfangs habe die Stadt auch den angebotenen Preis der Verfahrensteilnehmer als Bewertungs- beziehungsweise Zuschlagskriterium berücksichtigt, sei inzwischen aber davon komplett abgerückt. Ingenthron betonte, dass mit Konzeptverfahren der Bogenschlag von "Wetbewerbskultur über Diskussionskultur zur Baukultur" gelinge.

"Konzeptverfahren erfordern auch Leidenschaft aus der Politik" zog Moderatorin Wiezorek ein kurzes Fazit aus dem Vortrag von Maximilian Ingenthron und verwies auf die Kooperationsvereinbarung die die Stadt Landau hierzu gerade am Vortag mit dem Land Rheinland-Pfalz getroffen habe. Diese vereinbart, eine konkrete Anzahl neuer geförderter Wohnungen – Mietwohnungen und selbst genutzter Wohnraum –, die in den kommenden drei Jahren mindestens entstehen werden. In den neuen Baugebieten soll hierbei auch eine Sozialquote festgelegt werden, flankierend zur Förderung der konkret geplanten Wohnungen, erhalten die Kommunen, die eine Quote in Höhe von mindestens 25 Prozent für geförderten Wohnraum bei zukünftigen Baugebieten einhalten, weitere finanzielle Anreize. Landau hat sich hier auf 180 neue Wohneinheiten festgelegt, die Stadt Mainz, die ebenfalls eine solche Vereinbarung mit dem Land abgeschlossen hat, auf 900 Wohnungen.

Beim Fazit waren sich die Referenten des Abends einig: Konzeptverfahren für die Grundstücksvergabe sind ein hervorragendes Instrument, um lebendige, gemischte Quartiere in hoher städtebaulicher und architektonischer Qualität zu entwickeln.

Termin

Dienstag, 07. Mai 2019

Zentrum Baukultur im Brückenturm | Rheinstraße 55 | 55116 Mainz

Veranstalter:

Zentrum Baukultur Rheinland-Pfalz

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