| Städtebau braucht Weitsicht

Ausstellung zum Deutschen Städtebaupreis 2018

Der Deutsche Städtebaupreis hat Tradition. Seit nunmehr 38 Jahren prämiert er realisierte städtebauliche Projekte, die sich durch nachhaltige, innovative Konzepte zur Stadtbaukultur sowie zur räumlichen Entwicklung im städtischen und ländlichen Kontext auszeichnen. Die Preisträger sind bis zum 23. November 2018 in einer Ausstellung im Zentrum Baukultur zu sehen. 

In seinem Grußwort anlässlich der Ausstellungseröffnung am 18. Oktober im Brückenturm Mainz zitierte Vizepräsident Frank Böhme einen Artikel der FAZ zum diesjährigen Städtebaupreis: "Städtebau braucht Weitsicht." Dem Siegerprojekt aus Dortmund "PHOENIX – Eine neue Stadtlandschaft – Dreiklang der Stadtentwicklung" sei dies vortrefflich gelungen, so der Stadtplaner, der die örtlichen Gegebenheiten nur zu gut kennt. Die Konversionsmaßnahme kombiniere Arbeit, Wohnen und Freizeit und schaffe damit "die Basis für eine anhaltend nachhaltige Entwicklung", so die Jurybeurteilung.

Wie wichtig Weitblick ist, betonte auch Prof. Dr.-Ing. Werner Durth, Emeritus der TU Darmstadt. Als langer Wegbegleiter beleuchtete er Historie und Besonderheiten des Preises und warf Schlaglichter auf die Stadtplanung in der Nachkriegszeit. Mehr noch als Ästhetik und Originalität entscheide die Alltagstauglichkeit über die Akzeptanz der gebauten Umwelt. Dieser von Ulrich Conrads, dem Gründer des Preises, formulierte Leitgedanke, gelte bis heute: In dem zweistufigen Auswahlverfahren besichtige die interdisziplinär besetzte Jury die Projekte der Engeren Wahl daher auch vor Ort – mindestens für einen Tag, um ein Gespür für die Atmosphäre zu erhalten. Die Jury entscheide dann anhand selbst gefertigter Fotos. 

Der langjährige Chefredakteur der Bauwelt (1957 - 1988) und spätere Herausgeber der Vierteljahresschrift Stadtbauwelt, Ulrich Conrads (1923 - 2013), zähle zu den wichtigsten deutschen Architekturkritikern und Publizisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, führte Durth weiter aus. Als kritischer Beobachter des Wiederaufbaus habe er sich immer wieder die Frage gestellt: "Welche Spuren hinterlassen Pläne in unserem gebauten Umfeld?" Dabei sei es ihm letztlich um den Bau und seine, auch unbeabsichtigten, Folgen bis hin zur Stadtzerstörung gegangen, so Durth.

So führten Großsiedlungen der 1960er Jahre vielfach nicht zu den gewünschten Ergebnissen und brachten vormals ungeahnte Probleme mit sich: Die "Gropiusstadt" in Berlin-Neukölln etwa ist über Berlin hinaus bekannt geworden durch die Geschichte der Christiane F. im Buch "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo". In der Zeit von 1968 bis 1971 formierte sich ein wachsender Widerstand gegen die ideologisierte Stadtplanung der 1950er und 1960er Jahre. Es war die Rede von "geplanten Slums" und dem "Verlust der Urbanität". Dies rief auch die Politik auf den Plan, die ihre Baupolitik nun im Vorfeld öffentlich kommunizierte. "1975 kann als Wendepunkt betrachtet werden", sagte Durth. "Die Sehnsucht nach Vielfalt stieg; Umbau, Modernisierung und eine behutsame Stadterneuerung gewannen an Bedeutung. Nutzungsvielfalt, Aufenthaltsqualität, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz – die zentralen Aspekte des ersten Deutschen Städtebaupreises 1981, sind auch heute noch aktuell", so der Experte, der Conrads 1999 als ständiges (nicht stimmberechtigtes) Mitglied im Beirat ablöste.

Frischer Wind kam 2005 mit dem neuen Sponsor, der Wüstenrot-Stiftung. Seither wird parallel zum Deutschen Städtebaupreis ein Sonderpreis zu aktuellen städtebaulichen Themen ausgelobt. Zudem gibt es eine (Wander-)Ausstellung und eine Dokumentation. Der "Sonderpreis 2018 – Orte der Bildung und Kultur im städtebaulichen Kontext" ging an die Technische Universität Darmstadt. Innerhalb nur einer Dekade sei es ihr gelungen, den Campus Stadtmitte zu einem wegweisenden, offenen Bildungsort und integrierten Bestandteil der Innenstadtentwicklung werden zu lassen, hieß es in der Jurybegründung. Das Gremium würdigte vor allem den "ganzheitlichen Ansatz der stadträumlichen Transformation des Campus".

"Ohne die Bauautonomie seit 2005 wäre dies kaum denkbar gewesen", sagte der Kanzler der TU Darmstadt Dr. Manfred Efinger, der gemeinsam mit Edgar Dingeldein vom Dezernat Baumanagement und Technischer Betrieb und dessen Vorgänger Thorsten Schmidt den Sonderpreis vorstellte. Mit der Bauautonomie habe ein enormer Entwicklungsschub eingesetzt; Sanierungsstau sei abgebaut worden. "Wir haben 60 Prozent mehr Fläche geschaffen – und das in zehn Jahren", betonte Efinger, stellte jedoch klar:"Wer glaubt, an der TU Darmstadt herrschen paradiesische Zustände, irrt." Denn der (Raum-)Bedarf sei durch steigende Studierendenzahlen drastisch gewachsen.

Im Anschluss ging Thorsten Schmidt auf das Selbstverständnis der TU als Stadtgestalterin ein und erläuterte einzelne Bauabschnitte des Campus Stadtmitte. Vorrangiges Ziel sei es gewesen, mit einem neuen Eingangsgebäude die Orientierung auf dem Campus zu verbessern. Die neue Universitäts- und Landesbibliothek wurde nach den Plänen des Nürnberger Büros Bär, Stadelmann, Stöcker Architekten gebaut, dessen Entwurf sich 2005 in einem internationalen Wettbewerbsverfahren gegen rund 60 andere Vorschläge durchgesetzt hatte. "Mit dem Neubau wurde der Campus Stadtmitte zu einem kompakten `Campus der kurzen Wege´ verdichtet, auf dem sich Hörsäle, Seminarräume, Mensa und Verwaltung in unmittelbarer Nähe befinden. Der nächste, übernächste Schritt wurde immer mitgedacht", betonte Schmidt. Und da war es wieder: "Städtebau braucht Weitsicht!"

Abschließend zeigte Dingeldein Bilder vom Empfangsgebäude, der Bibliothek sowie der "Hochschulstraße" – einst im Sinne einer "autogerechten Stadt" befahrbare Straße mit ausgewiesenen Parkplätzen, nun urbaner Ort für Studierende, Lehrende, aber auch die Bevölkerung. "Hier wurden Orte mit besonderer Aufenthaltsqualität, ja Orte der Begegnung geschaffen, die sich gut in den städtischen Kontext einfügen. Keine unwirtlichen Räume", sagte Dingeldein und spielte damit auch auf das von Durth genannte Buch "Die Unwirtlichkeit unserer Städte: Anstiftung zum Unfrieden" von Alexander Mitscherlich aus den 1960er Jahren an.

Hintergrund
Der mit insgesamt 25.000 Euro dotierte Deutsche Städtebaupreis wird von der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) ausgelobt und von der Wüstenrot Stiftung gefördert. Die Jury unter Vorsitz von Prof. Undine Giseke vergab unter den 103 eingereichten Arbeiten, davon 29 für den Sonderpreis, sechs Auszeichnungen (eine im Sonderpreis) und sechs Belobigungen (zwei im Sonderpreis). Die Preisverleihung fand am 27. September im Kleinen Haus des Staatstheaters Mainz statt.

Termin

Donnerstag, 18. Oktober 2018

Zentrum Baukultur im Brückenturm | Rheinstraße 55 | 55116 Mainz

Veranstalter:

Zentrum Baukultur Rheinland-Pfalz

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