| Gut wohnen – besser wohnen

Potentiale und Perspektiven beim Haus(um)bau

Gut wohnen, ja möglichst besser als bisher, möchte wohl jeder. Doch wie ist eine entsprechende Wohnqualität zu erreichen? Lässt sich diese überhaupt so planen und umsetzen, dass sie von Dauer ist? Gibt es neben dem individuellen Bauchgefühl auch objektive Kriterien für das wohnliche Wohlgefühl? Antworten auf diese und weitere Fragen lieferte die gemeinsame Veranstaltung des Zentrums Baukultur und der LBS Südwest "Gut wohnen – besser wohnen" am 6. November im Brückenturm Mainz.

"Das Thema Wohnen betrifft alle. Es ist ein aktuelles Dauerthema, zu dem längst noch nicht alles gesagt ist", betonte die Vizepräsidentin der Architektenkammer Rheinland-Pfalz Edda Kurz in ihrer Begrüßung. Zu den drängendsten gegenwärtigen Herausforderungen zähle der demografische Wandel und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. In diesem Kontext verwies Kurz auf das Engagement der Architektenkammer und nannte den Wettbewerb "Sozial, schnell, gut", das "Bündnis für bezahlbares Wohnen" sowie das Positionspapier "Menschenrecht Wohnen" als Bespiele. Zugleich appellierte sie dafür, Dichte auch als Chance für städtisches Wohnen zu begreifen, neue Ideen und Konzepte des Miteinanders zu entwickeln und sich auf das Wesentliche zu besinnen. Schließlich habe sich die Wohnfläche pro Kopf in Rheinland-Pfalz seit Anfang der 1990er Jahre von 39 auf 52 Quadratmeter erheblich erhöht. Im gleichen Zeitraum sei auch die durchschnittliche Wohnungsgröße von knapp 95 Quadratmeter auf rund 105 Quadratmeter gestiegen. "Das liegt – gerade in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz – nicht unbedingt daran, dass die Wohnungen immer größer werden und die Menschen immer großzügiger wohnen wollen", so die Architektin. Gerade älteren, allein lebenden Menschen auf dem Land falle es oft schwer, ihr zu groß gewordenes Einfamilienhaus zu einem angemessenen Preis zu verkaufen, um in eine kleinere Wohnung umziehen.

Dennoch: Die Frage nach der Wohnzufriedenheit sei keine rein quantitative. "Die Antwort auf die provokante Frage, ob Quantität mit Qualität gleichzusetzen sei, ist ein kategorisches `Nein´", bezog Kurz klar Stellung und führte weiter aus: "Oder anders gesagt: Gute Architektur kostet nicht mehr als schlechte. Was man bezahlt, sind die Quadratmeter, ist das Bauvolumen. Übrigens: Lösungen für eigene Wohnwünsche findet man nicht im Werbeprospekt von Möbel Martin oder im IKEA-Katalog!" Für gute Qualität, die auch einen bewussten Umgang mit Wohnfläche und den Verzicht auf eine unverhältnismäßig aufwendige Technik oder Ausstattung berücksichtige, stünden die Architekten, Innenarchitekten und Landschaftsarchitekten und ihre individuelle, auf die Bedürfnisse der Nutzer zugeschnittene Planung.

Der Wohnpsychologe Harald Deinsberger-Deinsweger beleuchtete in seinem Impulsvortrag "Wohnpsychologie beim Haus(um)bau – wo das Bauchgefühl an seine Grenzen stößt" die Thematik unter emotionalen und psychologischen Aspekten. "Räumliche Strukturen können das Miteinander fördern, aber auch das Gegeneinander oder Nebeneinander begünstigen, ohne dass wir uns dessen immer bewusst sind. Vor allem eine gute Zonierung in Interaktions- und Entspannungsbereiche, persönliche Rückzugsorte sowie Lern- und Arbeitsplätze unterstützt langfristig gutes Wohnen", so der Experte. Dabei unterscheide die Wohnpsychologie nicht in Innen- und Außenräume, sondern betrachte den gesamten (Lebens-)Raum des Menschen. Besonders wichtig sei der persönliche Bereich. Während Kinder und Jugendliche ganz selbstverständlich mit ihrem Zimmer einen Rückzugsort haben, würden viele Erwachsene sich dies nicht zugestehen. Ein Fehler, wie der Wohnpsychologe weiß: "Häufig wird dann das Wohnzimmer okkupiert, was ein Rückzugsverhalten der Kinder nach sich ziehen kann. Oder aber der Familienvater bleibt fortan lieber länger auf der Arbeit oder er legt sich einen Hobbyraum im Keller zu. In jedem Fall aber führt der Verzicht auf persönliche Nischen über kurz oder lang zu Reaktionen, die auch das Familienleben beeinträchtigen können."

Bei der Wirkung von Räumen müsse immer auch die zeitliche Dimension berücksichtigt werden: Während schlichte, karge Räume kurzfristig beruhigend und entspannend wirken können, fehle es diesen bei längerem Verweilen an Stimuli. Angespanntheit, Gereiztheit, innere Unruhe könnten die Folge sein, so Deinsberger-Deinsweger. Auch von zu schlicht eingerichteten Arbeitsplätzen warnte der Experte: "Anders als anzunehmen, nimmt die Konzentration in kargen Räumen bereits innerhalb kürzester Zeit ab. Der Blick ins Grüne hingegen fördert die Konzentration." Ohnehin lohne sich der Ausblick in die Natur, denn dieser habe auch eine heilende und entspannende Wirkung

Doch nicht nur die Raumstrukturierung an sich, auch die Platzierung des Hauses auf dem Grundstück habe meist ungeahnt Auswirkungen. Eine zu exponierte Lage beispielsweise begünstige Abschottungs- und Rückzugstendenzen. Schwer einsehbare Zufahrten und Eingangssituationen bis hin zur völligen Abschirmung, die dem Schutzbedürfnis der Bewohner dienen sollen, bieten zudem Einbrechern ein Einfallstor, warnte der Wohnpsychologe. "Nach Möglichkeit sollte auf technische Sicherheitsmaßnahmen wie Überwachungskameras oder Alarmanlagen verzichtet werden, da hierdurch das subjektive Sicherheitsgefühl in der Regel nicht verbessert wird, zumal in den allermeisten Fällen schon kleine Eingriffe wie eine Neuzonierung genügen. Der Schlüssel zum Erfolg ist das `Prinzip des geschützten Öffnens´", erklärte Deinsberger-Deinsweger und machte nochmals deutlich, wie wichtig eine gute Zonierung für den Innen- aber auch Außenraum ist. Darüber hinaus ging er der Frage nach, wie viel Fläche der Mensch zum "Glücklich-Sein" braucht und hinterfragte aktuelle Trends und Gewohnheiten. Sein Resümee lautete: "Keine Häuser, sondern Lebensräume bauen!"
  
Mit den unterschiedlichen Aspekten zum Thema "Gut wohnen – besser wohnen: Potentiale und Perspektiven" befasste sich die anschließende Gesprächsrunde. "Gerade für Besitzer oder potentielle Käufer eines älteren Wohnhauses bietet sich mit einem Umbau und einer Sanierung die beste Gelegenheit, das Wohnniveau zu steigern", sagte Vizepräsidentin Edda Kurz. "Großzügige Anbauten und Aufstockungen sind nicht immer möglich – oft sogar nicht nötig, wenn vorhandene Potentiale entdeckt und vor allem genutzt werden", betonte Kurz. Den Anwesenden riet sie zu mehr Suffizienz: "Werden Sie unnötigen Ballast los. Dann haben Sie auch wieder Raum im Kopf!" Bislang werde nur allzu oft die mittels Dämmmaßnahmen oder moderner Heiztechnik eingesparte Energie durch zusätzliche Wohnfläche wieder verbraucht. Dabei gebe es zum ungebremsten Flächenverbrauch längst ästhetisch überzeugende, gestalterisch anspruchsvolle sowie ressourcenschonende Alternativen, wie die Mehrfachnutzung von Räumen, die Überlagerung von Funktionsbereichen oder die sogenannten Tiny Houses. Zwar dürfte die Zielgruppe für Tiny Houses sehr beschränkt sein, die Kleinsthäuser würden aber wichtige Denkanstöße geben, so die Architektin.

Vorstandsmitglied Eva Holdenried betonte, wie wichtig insbesondere der Faktor Atmosphäre für die Zufriedenheit mit der eigenen Wohnsituation sei. Die Innenarchitektin erläuterte an konkreten Beispielen wie Licht, Luft und Schallschutz, aber auch Wärme zum Wohnkomfort beitrügen. Dabei verwies sie auf die Bedeutung von Haptik, Farbe und Material, mit denen Wohnräume strukturiert und inszeniert werden können. Durch geschickte Materialwechsel und Möblierung ließen sich Zonen gestalten und Räume optimal ausnutzen. Eine gute Raumakustik, ausgewogene Beleuchtung und gezielte Temperierung steigere das Wohlbefinden. Innenarchitekten seien hier die Experten für das Bauen im Bestand: Es komme zwar vor, dass Wohnungen komplett reorganisiert werden und bauliche Eingriffe notwendig seien. Oft würden aber auch kleine Eingriffe, wie Änderungen in den Oberflächen und eine Anpassung der Möblierung genügen, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen.
  
Über die Bedeutung der Wohnumgebung bei der Frage des "besseren Wohnens" sprach der Mainzer Landschaftsarchitekt Stefan Bitter. "Mit einer gezielten Freiraumgestaltung, die Orte der Begegnung schafft kann das nachbarschaftliche Verhältnis nachhaltig verbessert werden", so Bitter. Bei Neubauten, aber auch bei An- oder größeren Umbauten sei es ratsam, den Landschaftsarchitekten bereits während der Gebäudeplanung einzubeziehen, um eine gestalterische Einheit zu entwickeln, die Identität und atmosphärischer Ausstrahlung Rechnung trägt. "Der Innen-Außenbezug spielt hierbei eine zentrale Rolle. Ich denke dabei vor allem an den Garten als 'grünes Wohnzimmer'", sagte Bitter. Hausbauern und -käufern riet er, sich frühzeitig mit den Nachbarn bezüglich Einfriedungen, Bepflanzungen von Bäumen, Abtrennungen von Terrassen oder Höhenlagen von Gartengrundstücken abzustimmen.
  
Gute Nachbarschaft beuge auch einer Vereinsamung beispielsweise im Alter vor, lenkte der Wohnpsychologe Deinsberger-Deinsweger den Blick auf eine langfristige Nutzung. Eine emotionale Ortsverbundenheit steigere überdies das Verantwortungsgefühl für die Umgebung und das Sicherheitsempfinden. Hinsichtlich der Finanzierung eines besseren Wohnens hatte der Experte auch eine eindeutige Meinung: "Die gute Nachricht aus der Wohnpsychologie lautet, Qualität ist nicht unbedingt eine Frage des Geldes, sondern des richtigen Knowhows." Die Berücksichtigung wohnpsychologischer Aspekte hebe nachweislich die Wohnqualität – meist ohne finanziellen Mehraufwand. Damit untermauerte er das Eingangsstatement von Edda Kurz.
  
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der LBS Landesbausparkasse Südwest Uwe Wöhlert stellte die Ergebnisse der Glücksstudie 2016 der LBS Stiftung Bauen und Wohnen vor, bei der 1.000 Menschen deutschlandweit zu ihrer Wohnsituation befragt wurden. "Unsere Studie zeigt: Eigentümer sind glücklicher als Mieter", sagte Wöhlert. Dies sei im Wesentlichen auf die größere Sicherheit, Selbstbestimmtheit, Gestaltungsfreiheit sowie Verantwortungsbewusstsein und soziales Engagement zurückzuführen. Auch die Bedeutung guter und langfristig angelegter Planung und Beratung stellte er heraus: "Sich in seinem Zuhause wohlzufühlen, hängt mit vielen Aspekten zusammen: Neben dem Baulichen und Gestalterischen muss auch das Finanzielle passen. Bei Erwerb, Bau oder Sanierung eines Eigenheims ist zunächst eine realistische Einschätzung der finanziellen Machbarkeit sehr wichtig. Besonders bei so gewichtigen Lebensentscheidungen wie dem Hauskauf oder -bau muss man sich auf seinen Finanzierungspartner verlassen können. Eine vorausschauende Planung sowie eine langfristige, sichere, gleichzeitig individuelle und flexible Baufinanzierung führen hier am besten zum guten Bauch- und Glücksgefühl."
  
Die von Kristina Oldenburg (Kokonsult, Frankfurt am Main) moderierte Veranstaltung richtete sich an Eigenheimbesitzer, potentielle Käufer von Bestandsimmobilien, Mieter sowie Fachplaner aller Fachrichtungen.

Termin

Dienstag, 06. November 2018

Zentrum Baukultur im Brückenturm | Rheinstraße 55 | 55116 Mainz

Veranstalter:

Zentrum Baukultur Rheinland-Pfalz

Kooperationspartner:

Landesbausparkasse LBS Südwest

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