| Gesprächsabend | Bodenpolitik

Boden - Ware oder Gut?

Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Ausreichender, bedarfsgerechter und bezahlbarer Wohnraum ist eine der wichtigsten und dringendsten sozialen Aufgaben unserer Zeit. „Eine engagierte und gute soziale Wohnungspolitik ist dafür unerlässlich“, sagt Doris Ahnen, Finanz- und Bauministerin in Rheinland-Pfalz. Unter Ihrer Ägide wurde im Land das „Bündnis für Bezahlbares Wohnen“ geschlossen, etliche wohnungspolitische Schwerpunkte gesetzt sowie Ideenwettbewerbe, Modellvorhaben und Projekte rund um das Thema Bauen und Wohnen umgesetzt, die auch bereits  Wirkung zeigen.

Das Gros der Erwerbstätigen verdient zwischen 20.000-45.000 Euro im Jahr. Durchschnittsverdiener haben es mit diesem Jahresgehalt allerdings schwer, adäquate Angebote auf dem Wohnungsmarkt zu finden. Eine am Gemeinwohl Bodenpolitik könnte hier eine hilfreiche Wirkung entfalten, darin waren sich die Gäste im Zentrum Baukultur einig, die am 25. November 2021 der Diskussion zum Thema „Strategien der Bodenpolitik“ im Brückenturm folgten. Nach der Begrüßung durch Felix Edlich, Leiter der Bauabteilung im Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz, hielt Prof. Dr. Dirk Löhr, Mitglied DASL-Ausschuss Bodenpolitik, Fachbereich Umweltwirtschaft/-recht des Umwelt Campus Trier, einen Impulsvortrag:

„Wem gehört der Boden?“ Die Fragen rund um den Boden, die Siedler und das Eigentum seien so alt wie die Menschheit selbst. Das Bundesverfassungsgericht urteilte hierzu: „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern. Der Grund und Boden ist weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit anderen Vermögenswerten ohne weiteres gleichzustellen; er kann im Rechtsverkehr nicht wie eine mobile Ware behandelt werden.“

Folglich stellt sich die grundsätzliche Frage: Privateigentum an Grund und Boden, ist das eigentlich gerecht? Und ist es auch effizient? Ökonomen betrachten und bewerten verschiedene Aspekte beim Eigentumsrecht, zum einen das Recht am Wert – der Eigentümer kann Boden verkaufen oder verpachten, obwohl er selbst den Wert des Bodens nicht generiert hat. Sie sehen aber andererseits auch das Recht auf Zweckentfremdung, welches glücklicherweise in Grundzügen geregelt ist. Was wir brauchen sei also nicht nur ein geregeltes Eigentumsrecht, sondern auch ein starkes Nutzungsrecht, so Löhr.

Wie sollte auch Bodenpolitik betrieben werden, wenn man nicht in die Eigentumsrechte eingreifen darf?

Prof. Dr. Laura Calbet, Architektin und Professorin an der Universität Stuttgart, Fachgebiet Theorien und Methoden der Stadtplanung, thematisierte anschließend vor allem Aspekte sozialer Bodenpolitik. Der Bodenwert steigt von der untersten Stufe, dem Bereich der landwirtschaftlich genutzten Fläche bis hin zum baureifen Grundstück kontinuierlich an. Calbet stellte vier mögliche Strategien vor, mit denen man sinnvoll mit den Bodenpreissteigerungen umgehen kann, und erläuterte die Entwicklung der Bodenwerte in Abhängigkeit von Zeitlauf und Planungsvorgang. Die unterschiedlichen kommunalen Strategien teilt sie in vier grundlegende Kategorien ein:

  1. Eindämmung des allgemeinen Bodenpreisanstiegs. Dies meint einen punktuellen Eingriff in die Preisentwicklung im Stadium „Rohbauland durch Neuausweisung“. Die Erfahrung zeigt jedoch: Die Aktivierung von neuen Flächen senkt den Bodenpreis in der Regel nicht!
  2. Abschöpfung planungsbedingter Bodenwertsteigerungen. Durch Abgaben/Besteuerung über alle Planungsstufen hinweg wird die Allgemeinheit an der Wertsteigerung beteiligt.
  3. Umgang mit Liegenschaften durch Konzeptvergabe: Vergabe öffentlichen Bodens erfolgt nicht an profitorientierte Akteure, sondern wird an gemeinwohlorientierte Konzepte gebunden.
  4. Dekommodifizierung von Bauland. Die Kommune erwirbt kontinuierlich Flächen und wird so zum Marktteilnehmer mit Steuerungswirkung.

Diese vier Kategorien sind eingeflossen in die Ausstellung „Wohnen kann doch jeder“, konzipiert von Prof. Dr. Laura Calbet gemeinsam mit Studierenden der Universität Stuttgart, die auch in Auszügen im Zentrum Baukultur zu sehen war.

Wie lässt sich nun aber eine soziale Bodenpolitik realisieren? Das diskutierten die beiden Impulsgeber gemeinsam mit Frank Böhme, freier Stadtplaner und Vizepräsident der Architektenkammer sowie Christoph Kamplade, Baudirektor und Leiter des Stadtbauamtes in Landau, moderiert von Alexandra May, Immobilienökonomin und Fachjournalistin der Immobilienwirtschaft.

Frank Böhme plädiert dafür, regionale Konzepte aufstellen um selbstverwaltende Gemeinden und Investoren zusammenbringen. Es bestehe Handlungsbedarf, die Kommunen müssten zusammenarbeiten, die öffentliche Hand sollte durch sinnvolle Vorkaufsrechte gestärkt werden.

Christoph Kamplade berichtete hierzu aus der Praxis, es werde viel über den Markt und fehlende Instrumente und Mechanismen gesprochen. Die Stadt Landau hat trotzdem versucht, die vorhandenen Möglichkeiten und Chancen für sich als Kommune gemeinwohlorientiert zu nutzen, und dies zumindest in Teilen mit großem Erfolg. Konkret wurde versucht durch Zwischenerwerbsmodelle, kombiniert mit der Konzeptvergabe, eine neue Qualität in der Nutzung öffentlicher Grundstücke zu etablieren. Wichtig sei es dazu, zunächst überhaupt mit den Grundbesitzern ins Gespräch kommen, so Kamplade.

Fazit: Mögliche Instrumente und Strategien sind bekannt und mancherorts bereits erprobt, den Kommunen fehlt aber das Geld und die entsprechenden gesetzlichen Bedingungen als Rahmen dafür, eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik dauerhaft zu etablieren.

 

Termin

Donnerstag, 25. November 2021

Zentrum Baukultur im Brückenturm | Rheinstraße 55 | 55116 Mainz

Veranstalter:

Zentrum Baukultur Rheinland-Pfalz

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