| Die Nadel im Heuhaufen oder wie Architekturbüros Fachkräfte finden

Worauf es bei der Personalplanung ankommt und welche Wünsche und Erwartungen potentielle Mitarbeiter und Arbeitgeber haben.

Fachkräftemangel ist aktuell ein großes Thema. Auch die Baubranche ist hiervon betroffen – und das bei guter Auftragslage. In Planungsbüros und Behörden fehlt es nicht nur an geeignetem Nachwuchs, sondern auch an Fachplanern und Ingenieuren. Gleichzeitig werden die Anforderungen an die Planung immer umfangreicher und komplexer. Wie Büros Talente finden und worauf es bei der Personalplanung ankommt, dazu informierte die gemeinsame Veranstaltung "Fachkräfte finden" des Zentrums Baukultur und der AS Architekten-Service GmbH am 13. Februar im Brückenturm Mainz.

In ihrer Begrüßung fragte Vizepräsidentin Edda Kurz nach den Ursachen für den derzeitigen Fachkräftemangel. Neben dem demografischen Wandel und der fortschreitenden Digitalisierung machte sie auch eine fehlgeleitete Ausbildungspolitik hierfür verantwortlich: "Das Blatt hat sich gewendet. Wurde vor einigen Jahren noch von einem Architekturstudium abgeraten, wird jetzt händeringend nach Personal gesucht; die Stellenanzeigen sind gut gefüllt, Headhunter versuchen, Talente abzuwerben." Davon betroffen seien aber längst nicht nur Architekten, Stadtplaner, Innenarchitekten und Landschaftsarchitekten, sondern auch Ingenieure und Handwerker. Angesichts zu dünner Personaldecken könnten Aufträge oftmals nicht termingerecht fertiggestellt werden. Es entstehe eine Lücke, in die die Bauindustrie mit ihren standardisierten Lösungen zu drängen versuche, warnte Kurz.

Der Dieburger Personalexperte Martin Peußer gab in seinem Vortrag Tipps zur Personalplanung und Rekrutierung von neuen, geeigneten Fachkräften im Architekturbüro. Dabei ging es um Fragen wie: worauf achten Bewerber, wie können sich Büros als attraktiver Arbeitgeber am Arbeitsmarkt positionieren und wie lässt sich Personal langfristig binden. "Employer Branding ist das A und O", so der Experte. Denn gerade in Hinblick auf die bald in Rente gehenden "Babyboomer" werde sich der Fachkräftemangel noch verschärfen. "Behalten Sie im Blick, wer wann in Rente geht und wie lange die Einarbeitung dauert", so Peußer, schließlich dauere es im Vergleich zu anderen Branchen recht lange, bis Stellen besetzt werden. Zugleich ermutigte er die anwesenden Büroinhaber neue Wege zu gehen: "Nutzen Sie die Möglichkeiten, die die sozialen Netzwerke wie Facebook, Xing oder Linkedin bieten. Und lassen Sie Ihre Mitarbeiter für Ihr Unternehmen werben, beispielsweise in kurzen Videos oder Zitaten. Das ist nicht nur authentisch, sondern kommt gerade bei jungen Bewerbern gut an." Große Unternehmen wie Merck, Lufthansa oder die BMW Group machen es vor: Auf ihren Homepages wird nicht nur die Unternehmenskultur vorgestellt. Es gibt auch einen eigenen Karrierebereich mit Jobangeboten für Berufserfahrene, Einsteiger, Studenten und Schüler, Entwicklungsmöglichkeiten sowie Videos vom Arbeitsalltag, Mitarbeiterstimmen oder auch Testimonials. Auch wenn dies nicht eins zu eins auf Architekturbüros übertragbar sei, so könne man sich hieran doch ein Beispiel nehmen.

Auf klassische Stellenanzeigen in Print oder einer der zahlreichen Online-Jobbörsen dagegen bewerbe sich kaum noch einer, behauptete Peußer. "Eines hat sich ganz grundlegend geändert: Heute kommt das Unternehmen zum Kandidaten und nicht umgekehrt!", betonte der Personal-Experte. Dabei sei es wichtig, vielfältige Anreize zu schaffen: Von der Karriereentwicklung – neben den typischen "Schornsteinkarrieren" könne dies auch die Option sein, in anderen Abteilungen oder an einem anderen Standort zu arbeiten – über Alters-, Risiko und Gesundheitsvorsorgen, dem Firmenwagen bis hin zur Work-Life-Balance. "Die jetzige Generation fordert dies ein und kann es auch einfordern", sagte der Personalexperte und machte deutlich, wie wichtig gutes Bewerbermanagement ist: "Bewerber entscheiden sich schnell. Also lassen Sie sie nicht allzu lange auf eine Rückmeldung warten!" Auch mit der Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag sei es nicht getan. "Jetzt ist Onboarding gefragt. Suchen Sie vor dem ersten Arbeitstag den Kontakt. Denn es kommt immer wieder vor, dass Arbeitnehmer unterschreiben, die Stelle dann aber nicht antreten, sondern eine andere, noch attraktivere", so der Experte weiter. Darüber hinaus gab er einen Ausblick auf die Trends von morgen wie "Mobile Sourcing" oder Geruilla Recruiting – überraschende Aktionen, um potenzielle Bewerber auf sich aufmerksam zu machen.

Die aufgeworfenen Aspekte wurden in der anschließenden Gesprächsrunde speziell für die Architektenschaft vertieft. Ihr gehörten neben Kurz und Peußer auch Peter Spitzley, Geschäftsführer des Fachbereichs Architektur der TU Kaiserslautern, Prof. Linus Hofrichter, Geschäftsführer des Architekturbüros a|sh sander.hofrichter architekten, Ludwigshafen, und Christian Deichmann, Bachelorabsolvent Architektur und nun Masterstudent an der Hochschule Mainz, an. Kurz betonte: "Hochschulabsolventen sind noch keine Fachkräfte. Ihnen fehlt die Praxiserfahrung, die auch die Voraussetzung für die Eintragung in der Kammer ist. Die gute konjunkturelle Lage sorgt jedoch dafür, dass Büros zunehmend auf Bachelorabsolventen zurückgreifen. Damit verwehren sie den jungen Leuten, ihren Ausbildungsweg in Ruhe zu gehen." Auch Peter Spitzley, Geschäftsführer des Fachbereichs Architektur an der TU Kaiserlautern, plädierte für mehr Masterstudenten, zumal die Abbruchquote recht hoch sei und nicht alle konsekutiv studierten. "Gerade Absolventen können Büros mit ihren frischen Ideen bereichern. Bachelorabsolventen fehlt jedoch oft die nötige Reife."

Wie wichtig neben der Theorie auch die Praxis ist, stellte Masterstudent Deichmann heraus, der neben seinem Studium in einem Architekturbüro tätig ist. Büros könnten sich durch flexible Arbeitszeitmodelle und Home-Office einen klaren Wettbewerbsvorteil verschaffen. Letztlich habe er sich aber dank einer persönlichen Empfehlung für seinen aktuellen Arbeitgeber entschieden.

Die Konzentrationsprozesse werden weiter zunehmen, der Trend geht zu größeren Bürostrukturen, waren sich die Gesprächsteilnehmer einig. Denn wenn die Konjunkturdelle kommt, würden vor allem kleinere und mittlere Büros unter Druck geraten. "Bilden Sie Netzwerke und Arbeitsgemeinschaften, um auch an europaweiten Ausschreibungen teilnehmen zu können. Und spezialisieren Sie sich, denn die Anforderungen an die Planung werden immer umfangreicher und komplexer!", so Prof. Hofrichter und fügte hinzu: "Mit Krebs gehen Sie ja auch nicht zum Allgemeinmediziner, sondern zum Spezialisten!"

Auch in Hinblick auf die Frage, wie man geeignetes Personal, ja die Nadel im Heuhaufen, findet, kam man überein: Das Patentrezept gibt es nicht! Man muss offen und flexibel sein, Mut haben und auch mal neue Wege gehen.

Termin

Mittwoch, 13. Februar 2019

Zentrum Baukultur im Brückenturm | Rheinstraße 55 | 55116 Mainz

Veranstalter:

Zentrum Baukultur Rheinland-Pfalz

Kooperationspartner:

AS Architekten-Service GmbH

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