| Mehr statt leer

Lösungswege gegen drohenden Wohnungsleerstand

Während in den Ballungsräumen vor allem bezahlbare Wohnungen knapp werden, nehmen in vielen kleineren und mittleren Orten Leerstände besonders in den historischen Baubeständen zu. Wie Kommunen mit dem Phänomen des Wohnungsleerstandes umgehen und welche Konzepte und Strategien zielführend sind, war Thema der Informationsveranstaltung "Mehr statt leer" am 29. Mai in Hermeskeil. Vorgestellt wurde unter anderem das Forschungsprojekt "Wohnungsleerstände in Deutschland – Ausmaß – Wahrnehmung – Reaktionen" der Wüstenrot Stiftung sowie die vom Finanzministerium Rheinland-Pfalz im Rahmen des Programms "Experimenteller Wohnungs- und Städtebau" geförderte Vertiefungsstudie Rheinland-Pfalz.

In seiner Begrüßung verwies Stadtbürgermeister Dr. Matthias Queck, auf das frühere Missstands- und heutige Vorzeigeprojekt "Neuer Markt" mit dem Feuerwehrmuseum, in dem die Veranstaltung stattfand. Felix Edlich, Leiter der Bauabteilung des Finanzministeriums Rheinland-Pfalz, Mitorganisator der Veranstaltung, betonte, dass die Weiterentwicklung bestehender Gebiete Vorrang vor der Neuentwicklung von Baugebieten haben sollte. Er verwies zudem auf die zahlreichen Förderprogramme des Landes.

Einführend stellte Prof. Holger Schmidt vom Fachgebiet Stadtumbau und Ortserneuerung der TU Kaiserslautern das Forschungsprojekt "Wohnungsleerstände in Deutschland – Ausmaß – Wahrnehmung – Reaktionen" vor, die von der Wüstenrot Stiftung in Auftrag gegeben worden war, sowie die vom Finanzministerium im Rahmen des Programms "Experimenteller Wohnungs- und Städtebau" geförderte Vertiefungsstudie Rheinland-Pfalz. Die Studie zeigt vielfältige Instrumente und Maßnahmen auf, die bereits bundesweit in der kommunalen Praxis erfolgreich eingesetzt werden. Ambitioniertes Ziel des bundesweiten Forschungsprojektes war die Erstellung eines "Werkzeugkastens" als Hilfestellung für die Kommunen zum Umgang mit Wohnungsleerständen.

Dem Leerstand schon vor dem Entstehen entgegentreten

Schmidt erläuterte zunächst, dass es oft schwierige Eigentümer-Objekt-Konstellationen, wie beispielsweise Erbengemeinschaften gäbe. "Oft ist nicht das Objekt, sondern sind die Eigentümer das eigentliche Problem", so Schmidt. Besonders betroffen seien Altbauten, die vor 1919 errichtet wurden, und nicht selten ortsbildprägende Gebäude in den Ortskernen seien. Zudem sei das Problem Leerstand zwar eher ein Problem kleinerer Kommunen und Gemeinden, aber auch in größeren Städten gebe es vereinzelt Leerstände. Schmidt betonte: "Das Problembewusstsein bei den kleineren Kommunen ist da, aber keine konkrete Kenntnis über den tatsächlichen Stand. Es gibt keine systematische Erfassung der Leerstände." Künftig werde es vor allem kleinere Gemeinden treffen, ist sich der Forscher sicher, "und solchen, die diese bundesweite Entwicklung verschlafen, weil sie nichts tun." Als Gründe für mehr Leerstände machte Schmidt die sinkende Geburtenzahl aus und die Tatsache, dass immer mehr junge Leute in die Stadt zögen. Daraus entstehe eine Abwärtsspirale: Durch den Wegzug sinken Nachfrage und Mietpreise, dadurch lohne es sich für viele Eigentümer nicht, zu sanieren, wodurch die Wohnungen noch unattraktiver für potentielle Mieter werden – so entwickle sich ein Gebäude zunächst zur Leerstands- und dann zur Problemimmobilie, erläuterte Schmidt. Anschließend stellte er die in der Studie erarbeiteten möglichen Handlungsfelder bezogen auf Strategie- und Objektebene vor und zeigte einige der insgesamt 42 konkreten "Werkzeuge" für den Umgang mit Leerstand auf.

Dr. Stefan Krämer, stellvertretender Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung, der die Veranstaltung moderierte, forderte die potentiell betroffenen Gemeinden und Kommunen auf "proaktiv und präventiv" zu agieren. "Dem Leerstand muss schon vor dem Entstehen entgegengetreten werden", so Krämer.

Vorzeigeprojekte als Initialzündung

Anschließen wurden in zwei Erfahrungsberichten erfolgreiche Instrumente zum Umgang mit Gebäudeleerständen vorgestellt. Zunächst erläuterte Michael Frey als beauftragter Planer die Strategie der Gemeinde Schönecken (Eifel) zur Minderung von Leerständen. So sei an der Stelle eines heruntergekommenen Bauhofs im Ortskern ein Pflege- und Seniorenheim errichtet worden und auf der daneben liegenden Gewerbebrache ein Gemeindezentrum mit Freilichtbühne, die von den ortsansässigen Handwerkern gestiftet und gebaut wurde, sowie eine gemeindeeigene Gastronomie. Diese beiden Projekte seien eine Initialzündung für das Gemeindeleben gewesen, so Frey, es fände wieder eine Gemeindelaben statt und die örtlichen Händler hätten in ihre Geschäfte investiert, statt diese zu schließen, und Eigentümer in ihre Häuser. "Seitdem ist die Nachfrage nach bisher leer stehenden Wohnungen gestiegen. Alles hängt mit einem lebenswerten Umfeld zusammen", ist sich Frey sicher. Jedoch sei eine solche Entwicklung nur möglich, wenn es eine intakte Dorfgemeinschaft gebe, zeigte er sich überzeugt. Als zentrale Ansätze im Kampf gegen Leerstand sah Frey die Kommunikation vonseiten der Verwaltung mit Eigentümern und potentiellen Käufern sowie die umfangreichen Förderprogramme des Landes. Er lobte auch die hervorragende Zusammenarbeit mit der Verbandsgemeinde und der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz ADD.

Katharina Ebeling, Fachbereichsleiterin Planen, Bauen und Entwicklung der Gemeinde Südheide (Niedersachsen), sprach aus Sicht der Verwaltung über deren Rolle als Motor, Vernetzer und Ermöglicher. Auch bei der in ihrer Gemeinde besonders betroffenen Ortschaft Unterlüß standen neben städtebaulichen Aktivitäten zur Leerstandsminderung vor allem Fragen einer lebendigen Ortsgemeinschaft und die Sicherung der Daseinsvorsorge im Mittelpunkt der Aktivitäten. Konkret geht es um ehemalige Werkswohnungen der Firma Rheinmetall, die in den 1930er und 1960er Jahren erreichtet worden waren und aktuell einen Leerstand von ca. 80 Prozent aufweisen. Ebeling bezeichnete das Wohngebiet als "unaufgeräumt, unordentlich und depressiv". Die Wohngebäude seien mehrfach wieder verkauft worden und gehören jetzt einem Immobilienfond. Hier habe es trotz intensiver Bemühungen – unter anderem sei der Instrumentenkoffer aus der Studie präsentiert worden – kein Entgegenkommen des Besitzers gegeben. Auch wenn der Durchbruch für das Wohngebiet noch aussteht, ist sich Fachbereichsleiterin Ebeling sicher, noch zum Erfolg zu kommen: "Es ist ein langer Weg, es braucht einen langen Atem." Doch hierfür sei auch Hilfe von außen notwendig: "Kleine Kommunen sind hier fachlich oft nicht gut genug aufgestellt", so Ebelings Einschätzung.

"Kooperation könnte ein Weg sein"

In der abschließenden Gesprächsrunde, der Frank Böhme, Vizepräsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, Dr. Karl-Heinz Frieden, Geschäftsführer Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz, Klaus Roderich, Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz, Arnold Schmitt, Landtagsabgeordneter für Trier/Schweich und Vertreter des Landkreistages Rheinland-Pfalz sowie Prof. Dr.-Ing. Holger Schmidt angehörten, griff Vizepräsident Böhme den Aspekt der fachlichen Besetzung der Bauverwaltungen auf. Aus seiner Sicht gibt es hier viel Nachholbedarf und müssten mehr Stellen mit Fachleuten aus dem Bereich, Architektur und Stadtplanung besetzt werden. "Auch die Kooperation von Gemeinden könnte ein Weg sein", zeigte Böhme einen möglichen Lösungsansatz auf. Er zählte die Anstrengungen der Architektenkammer und der Landesregierung auf, dem Leerstand entgegen zu wirken und Ortskerne zu beleben: der Wettbewerb "Mehr Mitte bitte!", die Veröffentlichungsreihe "Wir sind Heimat", die beispielhafte Baukultur in den ländlichen Regionen aufspürt und bekannt macht, der Baukulturpreis Eifel. Es sei jedoch ein unwahrscheinlich großer Aufwand Aufklärung zu betreiben, Interesse zu wecken und Partner zu finden, so Böhme.

Gefordert sind Kraft, Überzeugungs- und Durchsetzungsfähigkeit sowie Ausdauer

Karl-Heinz Frieden vom Gemeinde- und Städtebund betonte, dass eine grundsätzliche Analyse der jeweiligen Situation unabdingbar sei – und forderte hierfür Förderung von außen. "Es liegen oft sehr unterschiedliche Situationen vor, die auch sehr unterschiedliche Ansätze und Herangehensweisen erfordern." Es hänge zudem immer von den involvierten Personen ab, so Frieden: "Gemeinden können des Leerstandproblems nur Herr werden, wenn sich die Akteure vor Ort engagieren". Zudem erfordere es viel Kraft, Überzeugungs- und Durchsetzungsfähigkeit sowie Ausdauer.

Arnold Schmitt, der für den Landkreistag in der Runde saß, stellte fest, dass das Thema Wohnungsleerstand im Landkreis Trier/Saarburg nur punktuell ein Problem sei. Aus dem nah liegenden Luxemburg zögen viele Menschen ins Umland, der günstigeren Mieten oder Kaufpreise wegen und auch aus dem nicht weit entfernten Belgien und Holland gäbe es nicht wenige Menschen, die in Immobilien investierten um diese beispielsweise selbst oder vermietet als Ferienwohnung zu nutzen. Neue Bewohner in bestehende und leer stehende Häuser und Wohnungen zu kriegen, statt in neue Wohngebiete, ist aus seiner Sicht ein wichtiger Ansatz, dem Problem Wohnungsleerstand zu begegnen. Kritik äußerte Schmitt an der Vielzahl der verschiedenen Förderprogramme: "Wer blickt da noch durch?".

"Kommunen müssen sich selbst helfen"

Klaus Roderich, der für das Land als sogenannter Förderlotse tätig ist betonte: "Durch Wohnungsleerstand entstehen Probleme, die man nicht ohne Unterstützung von außen lösen kann." Hier gebe es jedoch zahlreiche Förderprogramme wie beispielsweise die Programme zur Dorferneuerung oder Städtebauförderung. Er bot hier auch allen Veranstaltungsbesuchern – viele davon aus betroffenen Kommunen – direkt seine Unterstützung an, zu bestehenden Programmen zu informieren und gegebenenfalls Kontakte zu knüpfen. Roderich betonte: "Das Land hilft, aber die Kommunen müssen sich auch selbst helfen."

Termin

Dienstag, 29. Mai 2018

feuerwehr erlebnis museum, Neuer Markt 2, 54411 Hermeskeil

Veranstalter:

Zentrum Baukultur Rheinland-Pfalz

Kooperationspartner:

Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz

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