Workshop | "Kultur ist bei uns etwas, für das man sich fein anzieht!"
Workshop "Von der Idee zur Veranstaltung. Konzeption, Zielgruppen und Organisation von Baukulturveranstaltungen" im ZB
Mainz. Baukultur geht alle an. Dennoch wird sie nur allzu oft als etwas Elitäres betrachtet. Gute Architektur- und Baukulturvermittlung kann mit diesem Missverständnis aufräumen. Wie regionale Baukulturinitiativen Politik und Verwaltung mit einbinden und das Thema Baukultur öffentlich wirksam – auch in der Presse – platzieren können, diesen und weiteren Fragen widmete sich der Workshop "Von der Idee zur Veranstaltung. Konzeption, Zielgruppen und Organisation von Baukulturveranstaltung" am 15. Mai im Zentrum Baukultur in Mainz.
"Ich freue mich ganz besonders, dass wir mit Christian Wendling einen ausgewiesenen Experten als Leiter für den Workshop gewinnen konnten, der an der Schnittstellte von Architektur und Baukulturvermittlung steht", betonte Annette Müller, Geschäftsführerin der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, in ihrer Begrüßung.
Der Kölner Architekt, der seit über 15 Jahren in der Baukulturvermittlung tätig ist und schon mehr als 500 Baukulturveranstaltungen organisiert hat, gab zunächst einen Impuls zum Thema "Baukultur im öffentlichen Diskurs. Erfahrungen aus dem Spannungsfeld zwischen Planern, Auftraggebern, Politik und Gesellschaft". "Die Vermittlung von Baukultur hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Baukulturvermittlung von oben funktioniert nicht mehr", so Wendling. "Bürger müssen im Sinne einer Phase Null frühzeitig in die Planung mit eingebunden werden, damit Bauprojekte auch Akzeptanz finden. Nur so lassen sich kostenintensive Baustopps und langwierige Bürgerentscheide, wie in Stuttgart, vermeiden."
In der anschließenden Vorstellungsrunde konnten die Teilnehmer ihre Wünsche und Anregungen für den Workshop formulieren. Dabei zeigte sich, dass die Mehrzahl der Teilnehmer bereits Erfahrung in der Planung, Konzeption und Durchführung von baukulturellen Veranstaltungen hat und sich vor allem vom Erfahrungsaustausch konkrete Tipps und Optimierungsvorschläge versprach. So berichteten u. a. der Dorferneuerungsbeauftragte Edgar Kiewel aus dem Eifelkreis Bitburg-Prüm über die 2011 ins Leben gerufene Initiative "Baukultur Eifel", Joachim Rind, Vorstandsmitglied der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, über das Schaufenster Koblenz, Xenia Diehl über die Arbeit der Landesinitiative +Baukultur in Hessen und Timm Helbach über die Aktivitäten der Kammergruppe Mainz/Bingen der Architektenkammer Rheinland-Pfalz.
Was aber ist denn nun Baukultur? Darf sie etwas kosten? Und von wem sollten Baukulturinitiativen ausgehen? Diese Fragen wurden in der nachfolgenden Diskussion eingehend behandelt. "Kultur ist bei uns etwas, für das man sich fein anzieht", sagte die Landschaftsarchitektin Kristine Mayer aus Morbach und Wendling pflichtete ihr bei: "Die Terminologie suggeriert ein Hochglanzprodukt. Ich versuche daher den Begriff weitestgehend zu vermeiden." Diehl hingegen provoziert gerne auch mal eine Diskussion: "Wie, das finden die etwa schön? haben sich sicherlich schon einige unserer Besucher vor einer Führung gefragt. Doch Baukultur muss nicht immer subtil als solche zu verstehen sein. Ein Gebäude kann auch durch seine Funktionalität bestechen." Für Kiewel wiederum ist "Baukultur" längst zu einer positiv konnotierten Marke für den Eifelkreis Bitburg-Prüm geworden. Doch wer sollte aktiv werden, wenn es um Baukultur vor Ort geht? "Baukultur kann nicht von außen übergestülpt werden, sondern muss vor Ort verwurzelt sein", lautete die Ansicht von Rainer Zeimentz, Vorstand der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz. Diehl sah das etwas anders: "Manchmal sind Impulse von außen das Mittel der Wahl. Denn nicht immer wird der Handlungsbedarf erkannt und auch angegangen."
"Das eine Patentrezept gibt es nicht", schaltete sich Wendling in die Diskussion ein. "Unterschiedliche Ausgangssituationen – ob Stadt, ob Land – verlangen unterschiedliche Ansätze. Sie kennen am besten die Situation vor Ort. Aus meiner langjährigen Berufserfahrung kann ich Ihnen aber mit auf den Weg geben, Politik und Verwaltung mit ins Boot zu holen." Auch eine gute Presse- und Öffentlichkeitarbeit sei wichtig, insbesondere der Ankündigungstext. Dieser solle wichtige Kernaussagen enthalten und nach Möglichkeit auch einen lokalen Bezug herstellen, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen – von baukulturell Interessierte, Betroffenen, Planern, Bauherren bis hin zu Politik und Verwaltung. "Während meiner Zeit als Geschäftsführer des hauses der architektur köln habe ich gelernt, dass Politiker kostenlose Informationsangebote von Experten der Baubranche zu schätzen wissen. Denn oftmals müssen sie ohne die nötige Fachkenntnis über Bauprojekte entscheiden."
Auch für die Konzeption von Ausstellungen hatte der Experte konkrete Tipps: "Wählen Sie einen Ausstellungsort, der gut erreichbar ist oder gehen sie mit ihrer Ausstellung auf Wanderschaft. Zeigen Sie Ausstellungen nicht über einen zu langen Zeitraum. Besser sind kurze Ausstellungszeiten, bei denen ein Ansprechpartner für Fragen vor Ort ist. So verleihen Sie ihrer Ausstellungen etwas Exklusives."
Um die Ergebnisse einer erfolgreichen Baukulturveranstaltung zu festigen, riet Wendling den Teilnehmern zu einer Veranstaltungsdokumentation: "Livestreams sind hier eine gute Möglichkeit. Interessierte können nicht nur von überall zuschalten oder sich im Nachgang das Video anschauen. Es dient zugleich für Dokumentationszwecke." Zudem könne das Material auch eingesetzt werden, um Referenten vom jeweiligen Veranstaltungsformat zu überzeugen und für künftige Veranstaltungen zu gewinnen.
"Bleiben Sie mit Spaß bei der Sache und scheuen Sie sich nicht, von guten, anderen Ansätzen zu lernen!", mit diesen Worten schloss Wendling einen äußerst lebhaften, zweieinhalbstündigen Workshop. Trotz der lebhaften Debatte, in einem Punkt waren sich alle einig: Baukulturvermittlung darf sich nicht auf Leuchtturmprojekte beschränken.
Termin
Dienstag, 15. Mai 2018
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