| Das Bauhaus wird 100
Auftaktveranstaltung zum Jubiläumsjahr mit Vortrag und Lesung
Das Bauhaus fasziniert auch 100 Jahre nach seiner Gründung, wie die Auftaktveranstaltung zum Jubiläumsjahr mit Vortrag und Lesung am 14. Januar zeigte.
"Die Resonanz ist überwältigend", sagte Kammerpräsident Gerold Reker in seinem Grußwort und ließ den Blick über den dicht gefüllten Veranstaltungssaal schweifen. "2019 feiert das Bauhaus 100-jähriges Jubiläum - und wir feiern mit. 1919 in Weimar gegründet, 1925 nach Dessau umgezogen und 1933 in Berlin unter dem Druck der Nationalsozialisten geschlossen, bestand die legendäre Hochschule für Gestaltung nur 14 Jahre lang. Dennoch wirkt das Bauhaus bis in die Gegenwart fort und gilt vielen als Inbegriff der Moderne. Zeugnisse und Protagonisten finden sich auch zwischen Westpfalz und Rhein", so der Kammerpräsident. Zwar sei Rheinland-Pfalz kein ausgewiesenes "Bauhaus-Bundesland". Aber auch hier habe es seine Spuren hinterlassen.
"Erzieher zur Schönheit"
"Allgemein wird das Bauhaus als Stil oder Produkt verstanden - ein Verrat an den Ideen des Bauhauses, das gerade auch pädagogische Absichten verfolgte", konstatierte Reker. Die frühen Bauhäusler strebten nach einer neuen Ära. Kunst sollte nicht länger mehr nur der Genuss weniger, sondern aller sein. Man wollte die getrennten Künste wieder zusammenbringen, um so zu einer neuen Formgebung zu gelangen. Zugleich träumte das Bauhaus auch von gesellschaftlichen Veränderungen. Es ging um Gerechtigkeit und Gemeinschaft und die Frage, wie Kunst und Architektur dazu beitragen können, den Menschen aus seinen Zwängen zu befreien. Damit dies gelänge, müsse die Bevölkerung ästhetisch und moralische erzogen werden, waren die Bauhäusler überzeugt und verstanden sich daher als "Erzieher zur Schönheit". Sie hatten hohe Erwartungen. "Auch wenn sich die Ansprüche oftmals nicht einlösen ließen, das Bauhaus machte weltweit auf sich aufmerksam und beeinflusste und beeinflusst bis heute viele Architekten", resümierte Reker.
Und seine Ideale? "Die sind so aktuell wie lange nicht", sagte Reker und zitierte aus dem Artikel "Die Zukunft ist jetzt" von Hanno Rauterberg, erschienen in "Die Zeit": "Und wenn es heute heißt, die westliche Gesellschaft habe sich in lauter Partikel aufgelöst, jedes Milieu lebe in seiner Blase, gut abgedichtet gegen alles, was fremd und unverständlich erscheint, dann ist es genau diese Art von Selbstverdummung, die die Bauhäusler unbedingt vermeiden wollten."
Grand Tour der Moderne
Prof. Dr. Werner Durth, ein excellenter Kenner des Bauhauses, stellte in seinem Vortrag zunächst die Grand Tour der Moderne vor, an deren Konzeption er maßgeblich beteiligt war. Auf den Spuren des Bauhauses führt sie 2019 deutschlandweit zu 100 verschiedenen Projekten und lädt dazu ein, die historischen Zeugnisse des Bauhauses und ihre Bedeutung für die Gegenwart und Zukunft neu zu entdecken.
Zwischen Verklärung und Dämonsierung
Zudem beleuchtete Durth die Geschichte der Hochschule für Gestaltung, nicht ohne einen kurzen Abriss zur Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts zu geben. Wie schon Reker zuvor, stellte er die Vielfalt und Widersprüchlichkeit des Bauhauses heraus, das sich stets im Spannungsverhältnis zwischen Verklärung und Dämonisieung bewegte. "Das Bauhaus war ein Experiment, eine Provokation, ein Lernprozess", betonte Durth und plädierte für ein offenes Verständnis des Bauhauses. Um das Bauhaus als Ideengeschichte mit parallel, aber auch gegenläufigen Entwicklungen fassen zu können, sei ein Blick auf die Vorgeschichte ab 1900 unerlässlich: Strömungen, die später unter dem Begriff "Moderne" subsumiert werden sollten, gab es in verschiedenen Städten wie Dresden, Hagen oder München (der blaue Reiter). Zum kreativen Zentrum aber wurde Darmstadt: Die 1899 von Großherzog Ernst Ludwig eingerichtete Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe verband Kunst, Handwerk und Architektur. Als Gemeinschaftsatelier fungierte das von Joseph Maria Olbrich aus Wien, dem einzigen ausgebildeten Architekten, erbaute Ernst-Ludwig-Haus - ein für damalige Verhältnisse provokant schmuckloses, schlichtes Haus. "Nennenswert ist auch das Haus des Architektur-Autodidakten Peter Behrens, der als Pionier des modernen Industriedesigns gilt und das industruial design für AEG entwarf", so Durth. Seine Schüler Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe sollten mit zu den bekanntesten Bauhäuslern werden. Für das Ensemble der Künstlerkolonie Mathildenhöhe wird die Anerkennung als UNESCO-Welterbe angestrebt, die Entscheidung fällt im Sommer 2020.
Bauhaus, nicht Bauhütte
"Das Bauhaus hätte beinahe gar nicht Bauhaus geheißen, sondern Bauhütte - in Anlehnung an das Mittelalter", erläuterte Durth. Dem ersten Direktor des 1919 in Weimar gegründeten "Staatlichen Bauhaus" Walter Gropius (1919-1928) war es gelungen, für sein Bauhaus einige sehr prominente Köpfe zu gewinnen, neben Josef Albers auch Wassily Kandinsky und Paul Klee. Unter dem Druck der Wirtschaftskrise wechselte Gropius dann den Stil des Bauhauses: Technik und Funktionalismus gewannen an Bedeutung. Sinnbildlich hierfür sind die Meisterhäuser, die nach dem Umzug des Bauhauses 1925 nach Dessau für die Professoren errichtet wurden und Welterbestätten sind. Ende der 1920er Jahre überschlugen sich die Ereignisse und zahlreiche neue Großsiedlungen schossen wie Pilze aus dem Boden: die Stuttgarter Weißenhofsiedlung von Ludwig Mies van der Rohe (1927), die Wohnblocks in der Siemensstadt in Berlin von Walter Gropius (1929/1930) oder das von Ernst May auf 10 Jahre angelegte Wohnungsbauprogramm "Neues Frankfurt" (1925-1930). Durth ließ eindrucksvolle Bilder der Projekte für sich sprechen.
Der zweite Bauhaus-Direktor, der junge Schweizer Architekt Hannes Meyer, konnte sich nur zwei Jahre lang halten (1928-1930). "Hieran lässt sich deutlich der politische Wandel - in Deutschland gewannen zunehmend rechte Kräfte an Macht - ablesen. Meyer wurde Kulturbolschewismus vorgeworfen, das Bauhaus als entartete Kunst diffarmiert ", betonte Durth. Bis zu seiner Schließung 1933 führte Ludwig Mies van der Rohe das Bauhaus. Als Gegenbilder zur nüchternen neuen Sachlichkeit, die als zu "monoton" abgelehnt wurde, fand eine Rückbesinnung auf frühere architektonische Formen statt, gefolgt von der nationalsozialistischen Monumentalarchitektur.
Zur Nachkriegsarchitektur
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland nicht nur politisch gespalten: Im Westen setzte sich das Bekenntnis zur Moderne, zur neuen Sachlichkeit der Weimarer Republik fort. Das Bauhaus war jetzt Kult. Im Osten dagegen wurde der internationale Kosmopolitismus propagiert und das Bauhaus zum Feindbild deklariert. Als Pendant zur Stalinallee in Ost-Berlin entstand in West-Berlin die "Interbau 57". Während baukulturelle Fragen im Osten zentralstaatlich aus Moskau gelenkt wurden, oblagen diese im Westen der autonomen Kommunalpolitik. Die Zerstörung wurde aber auch als Chance für eine radikale Modernisierung verstanden. So entwarf Le Corpusier das Konzept der funktionalen Stadt, Walter Gropius die sogenannte "Gropiusstadt" (1962 bis 1975) in Berlin. Doch die Großsiedlungen der 1960er Jahre führten vielfach nicht zu den gewünschten Ergebnissen und brachten vormals ungeahnte Probleme mit sich. In den 1970er Jahren formierte sich ein wachsender Widerstand gegen die ideologisierte Stadtplanung der 1950er und 1960er Jahre. "1975 kann als Wendepunkt betrachtet werden. Die Sehnsucht nach Vielfalt stieg; Umbau, Modernisierung und eine behutsame Stadterneuerung gewannen an Bedeutung", sagte Durth. "Noch heute sind Anspruch und Vermächtnis des Bauhauses virulent. Es gilt das Bauhaus als Impuls für die Gestaltung der Welt zu verstehen," so seine abschließenden Worte.
Das rote Bauhaus
Im Anschluss las die Düsseldorfer Architektin und Autorin Dr. Ursula Muscheler aus ihrem Buch "Das rote Bauhaus - Eine Geschichte von Hoffnung und Scheitern". Es erzählt die Geschichte deutscher Architekten, Städtebauer und Stadtbauräte, die sich Anfang der 1930er Jahre auf den Weg in die Sowjetunion machten, um dort neue Städte aus dem Boden zu stampfen. Doch die Architekten, wie der Frankfurter Städtebauer Ernst Mey oder der ehemalige Bauhausdirektor Hannes Meyer, scheiterten kläglich. Nicht alle kamen heil vom Abenteuer "Bauhaus-Stoßbrigade Rot Front" zurück; einige landeten in Straflagern, wurden erschossen oder kehrten, wenn sie Glück hatten, erst nach dem Krieg in ein gänzlich verändertes deutsches Bauland zurück, betonte die Autorin Dr. Muscheler und warf damit ein Licht auf ein Stück vergessene Architekturgeschichte.
In seinem Schlusswort verwies Kammerpräsident Reker auf literarische Schmankerl wie das Buch "From Bauhaus to Our House", das neben weiteren Ansichtsexemplaren auslag. Zudem freute er sich auf die zahlreichen folgenden Veranstalungen zum bauhaus 100: "2019 ist und bleibt das Bauhaus im Gespräch!"
Termin
Montag, 14. Januar 2019
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